Hoffnungslos? Oder nicht?

Die Hoffnung, sie macht es einem dieser Tage nicht leicht. Ennet dem Teich stellt ein faschistischer, verurteilter Sexualstraftäter sein Gruselkabinett für die nächsten vier Jahre zusammen und in Deutschland buhlt eine Horde Alpha-Männchen um den Vorsitz in der Regierung. Währenddessen geht alt Kanzlerin Merkel mit festgezurrten Scheuklappen auf grosse Buchtournee. Vom Kriegstreiben in der Ukraine und im Nahen Osten haben wir noch gar nicht gesprochen und das Fass «Klimawandel, seine Auswirkungen und wie wir in Zukunft damit umgehen wollen» öffnen wir an dieser Stelle lieber auch nicht. Immerhin möchte die Schweiz (oder die Schweizerinnen?), wie letzten Sonntag an der Urne klar wurde, momentan nicht in Beton investieren. Ein Hoffnungsschimmer? Oder zahlte vielleicht doch das Argument «mehr Autobahnen, mehr Menschen» auf das negative Wahlresultat ein? Was war zuerst? Das Huhn oder das Ei? Man weiss es nicht.

Bei der Betrachtung der aktuellen Weltlage kann sich schon ein flaues Gefühl im Magen breit machen – da nützt auch der Advent, die Zeit der freudigen Erwartung, wenig. Humanismus scheint momentan nicht mehr en vogue zu sein. Der Umgangston ist ruppig, nicht nur in den Medien und in der Politik, oft auch im Alltag. Lügen ist salonfähig – und wenn nicht gerade aktiv gelogen wird, werden die nicht zur Argumentation passenden Fakten halt weggelassen. Die Mitte der Gesellschaft scheint auszudünnen, während an den Rändern der Platz langsam knapp wird: Von hier aus zeigen die zerstrittenen Parteien mit dem Finger auf ihre jeweiligen «Gegner» und schieben die Schuld an all unseren «Problemen» wie eine heisse Kartoffel hin- und her. Ein Tsunami der Doofheiten tobt schon seit längerer Zeit durch die Medienlandschaft, die Schäden, die er hinterlässt, werden immer sichtbarer und einige davon sind wohl irreparabel. Man ist versucht, aufzustehen und rauszuschreien: «Ja, hats euch denn allen ins Hirn gesch…?!» Nur nützt das leider wenig, denn in der ganzen Kakofonie, geht ein laut gerufener Fluch, und sei es mit noch so viel Pathos, ungehört unter.

Man ist versucht, aufzustehen und rauszuschreien: «Ja, hats euch denn allen ins Hirn gesch…?!»

Ich hatte das Privileg, dass ich meine Flüche und Stossgebete zu gesellschaftlichen und politischen Themen, sowie zu Banalitäten aus dem Alltag, regelmässig in dieser Kolumne platzieren durfte – und nicht ganz alles, was ich denke, ungehört (oder besser ungelesen) unterging. Hier endet nun diese Reise, mit einem letzten, bisher nicht sonderlich mutmachenden, Text, wie ich gerade merke. Ich versuche, die Kurve doch noch zu kriegen: Trotz aller Widrigkeiten, die uns umgeben, ist Mut und Zuversicht nicht fehl am Platz, nicht nur in der Adventszeit, sondern generell. Legen sie sich ein dickes Fell für die Alltagsstürme zu und bleiben sie freundlich – mit sich selbst und mit anderen. Ich glaube nämlich nach wie vor, dass die stillen, freundlichen Menschen in der Überzahl sind und mehr mit Taten als mit lauten Worten bewegen. Danke, liebe Leserin, lieber Leser, dass sie mich die vergangenen Jahre hier begleitet haben.

Dieser Text erschien am Samstag, 30. November 2024, als Kolumne im Berner Oberländer / Thuner Tagblatt. Es ist meine letzte Kolumne für den Berner Oberländer, da dort ab 2025 keine lokalen Kolumnen mehr erscheinen werden.

Irene Thali –  –  schrieb am 02. Dezember 2024 –  –  in chlütterle & chlöne | läse & schribe

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