Endlager im Untergeschoss

Was eine Kellerräumung alles so zu Tage fördert

Als Kind war für mich der Keller ein magischer Ort; eine Wunderwelt, die auf knapp drei Quadratmetern so manches Geheimnis versteckt hält. Der Raum dient als Zwischen- und Endlager für alle möglichen Dinge. An der Stirnwand glitzern die Weinflaschen im fahlen Lichtschein. Rotwein? Weisswein? Was sich in den zahlreichen Flaschen versteckt, ist auf den ersten Blick nicht auszumachen. Neben dem Eingang steht ein hoher Einbauschrank: Für Klein-Irene das Paradies. Er ist von unten bis oben mit Gläschen, Flaschen und Töpfen gefüllt. Grosis Meertrübeligonfi, Holunderblütensirup, eingelegtes Gemüse aus dem eigenen Schrebergarten…

Soviel zu meinen Kindheitserinnerungen. Und heute? Bereits als Teenie hatte der feuchtkalte, nasse Raum im Untergeschoss seinen Reiz verloren. Spätestens als ich mit dem modrig riechenden Schlafsack, der lange Zeit in den Katakomben lagerte, in die Landschulwoche einrücken musste, habe ich dem Keller meine Liebe endgültig aufgekündigt und ihn aus meinen Gedanken gestrichen. Inzwischen ist unser Platzbedarf aber soweit angewachsen, dass ich ernsthaft über eine Räumung nachdenken musste. Das Vorhaben benötigte mehr psychische als physische Vorbereitung und wurde schlussendlich nach ein paar schlaflosen Nächten in die Tat umgesetzt.

Spätestens als ich mit dem modrig riechenden Schlafsack, der lange Zeit in den Katakomben lagerte, in die Landschulwoche einrücken musste, habe ich dem Keller meine Liebe endgültig aufgekündigt.

Ich will Sie nicht mit allen pikanten Details schockieren, aber: Es war alles noch da. Spätestens als ich zwei grosse Einmachgläser mit Peperoni aus dem Gewölbe getragen habe, Jahrgang 1983, war es mit der Nostalgie vorbei. Früher als köstliche Leckerei gedacht, erinnerten die eingelegten Nachtschattengewächse nach über 30 Jahren Lagerzeit mehr an konservierte Hirnhälften einer medizinischen Versuchsanordnung. Ich kann ihnen auch versichern, dass der Versuch, an mehreren uralten Gegenständen intelligentes Leben zu züchten, gescheitert ist. Trotz aller Widrigkeiten brachte die Räumung doch noch das eine oder andere Prunkstück an den Tag: Das handbemalte Geschirr meines Grossvaters, für das heute wohl Foodblogger und Hipster bereit wären, ein Vermögen zu zahlen. Und eine Flasche weissen Mouton Cadet, Jahrgang 1992 – wohl untrinkbar, aber wir haben einen Mouton Cadet im Keller!

Nach sechs Stunden Räumungs- und Putzarbeiten inklusive zahlreicher «Ihhh!!»- und «Wäh!!»-Ausrufen wurde unser Kellerabteil wieder seinem ursprünglichen Zweck zugeführt: Es dient als erweiterte Lagerkammer für Dinge, die im Alltag nur selten gebraucht werden. Und aus der ersten Kolumne kennen Sie ja meinen Hang zu praktischen Online-Tools: Ich wäre nicht ich, hätte ich nicht den gesamten restlichen Inhalt unseres Kellers inventarisiert. Dazu habe ich «Evernote» verwendet, eine Webanwendung, die auch als App für Smartphones und Tablets erhältlich ist. «Evernote» ist eine persönliche Online-Bibliothek, in der sich verschiedene Notizbücher anlegen lassen. Dank der praktischen Suchfunktion, lassen sich diese Notizen nach Begriffen durchforsten. Zudem können mehrere Personen ein Notizbuch bearbeiten. So weiss auch der Mann, was sich in unserem Keller wo befindet, und hat unseren Vorrat an guten Weinen aus seiner Heimat, der Pfalz, jederzeit im Blick.

Dieser Text erschien als Kolumne im Bödeli Info, Weber Verlag,  Ausgabe August 2018.

Irene Thali –  –  schrieb am 30. August 2018 –  –  in läse & schribe

Hesch öppis z'mälde?



© Irene Thali | Interlaken | Realisation: fremdefeder.ch