Ich bin verkatert. So richtig. Während andere sich vielleicht mit Kopfschmerzen und Übelkeit der vergangenen Weihnachtsfeierlichkeiten herumschlagen, plagt mich ein veritabler Online-Kater. 4 Stunden 21 Minuten Bildschirmzeit. Pro Tag. Das ist die traurige Bilanz der letzten Feier- und Ferientage, die mir mein Handy liefert. Wie konnte es bloss soweit kommen? Von all der Musse, der Kreativität und den genialistischen Einfällen, die sonst meine denkfreie Zeit prägen: keine Spur. Die Bücher, die ich in das Ferienhaus nach Holland mitgeschleppt habe: allesamt ungelesen. Die Wollmütze, die ich in den Ferien fertighäkeln wollte, geht nach wie vor höchstens als Kippa durch. Und mein Gehirn, das befindet sich im Generalstreik.
Ich war zu wenig aufmerksam. Nach der Hektik der letzten Arbeitswochen vor den wohlverdienten und bitter nötigen Ferien, lautete die oberste Maxime zuerst einmal Entspannung. Nichts müssen, alles können. Lesen? Häkeln? Den eigenen Gedanken nachhängen? Dazu bleibt in den nächsten zwei Wochen noch genügend Zeit. Jetzt mach ich erstmal garnix! War das Wetter zu garstig für ein Outdoorprogramm (und das war es in Holland während unseres Aufenthalts meistens), lümmelte es sich viel besser gemütlich auf der Couch rum. Und da Frau für ihre Bücher und ihre «Lismete» zu Ferienbeginn wenig Musse hatte, liest sie doch besser erstmal das Internet leer. Am Handy. Irgendwo im Ferienhaus, zwischen Nebelschwaden, Claas Relotius, Regenschauern, doofen Katzen-Memes und lustigen Comic-Videos von Ruthe habe ich irgendwann die Ausfahrt verpasst.
Was danach folgte, hat mit Entspannung und Ferien wenig zu tun. Mein Gehirn verweigerte sich plötzlich jeglicher «festen» Nahrung. Das von mir so ersehnte lange Lesen in einem Buch? Unmöglich! Ein Spaziergang in den Dünen? Lieber nicht, ich könnte das nächste wichtige Statusupdate vom Spiegel auf Twitter verpassen. Und statt mir die kalte Inselluft Texels und mit ihr widerliche Regenschauer ins Gesicht peitschen zu lassen, schau ich lieber auf Facebook, wie es in den warmen, weihnachtlichen Stuben meiner Freunde und Freundesfreunde zu und her geht. Schau her: Im Berner Oberland scheint die Sonne, alle meine Bekannten posten wunderbare Bilder auf Instagram! Auf die kurzen Tage mit Schietwetter und Handybespassung folgten schier unendliche Nächte. Schlaflose Nächte, in denen ich mich meist erst in den frühen Morgenstunden von sinnbefreiten Maniküre-, Make-up- und Heimwerker-Tutorial-Videos in den Schlaf wiegen liess.
Und jetzt? Jetzt sind die Ferien fast zu Ende und ich kann mich nur an wenige Details erinnern. Immerhin habe ich nicht die ganze Zeit von meinem Handybildschirm beleuchtet auf der Couch gesessen: Nach sechs Tagen des Dahinvegetierens, habe ich es geschafft, die Notbremse zu ziehen und nehme doch die eine oder andere tolle Erinnerung von der Reise mit nach Hause. Mein Festtagsferien-Erlebnis hat mich dazu verleitet, mir selber nach langer Zeit wieder einmal einen Neujahrsvorsatz aufzuerlegen. Oder besser gesagt zwei: Ich bin als sonnenverwöhnte Berner Oberländerin nicht für Winterferien im nebelgeplagten Holland gemacht. Und während meiner nächsten Ferien bleibt das Handy wieder dort, wo es hingehört: In der Handtasche. Ich kümmere mich während den wenigen verbleibenden Tagen des alten Jahres jetzt weiterhin um meinen digitalen Entzug, indem ich die Festivitäten, die der Jahreswechsel in unserer Region so mit sich bringt, analog geniesse und mir die Wintersonne ins Gesicht scheinen lasse. Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, wünsche ich einen tollen, bildschirmfreien Rutsch ins neue Jahr!
Dieser Text erschien am Samstag, 29. Dezember 2018 als Kolumne im Berner Oberländer / Thuner Tagblatt.